Umweltschutz und Innovation – Chancen für den Schiffbau

Vortrag der niederländischen Ministerin für Wirtschaft,
Maria van der Hoeven, anlässlich des SMM-Seminars
'Umweltschutz und Innovation - Chancen für den Schiffbau'
Hamburg, 23. September 2008

Sehr verehrte Frau Staatssekretärin Wöhrl,
meine Damen und Herren!

Zunächst einmal möchte ich Ihnen für die Einladung nach Hamburg danken. Es ist für mich eine Ehre, in einer Stadt zu sprechen, in der sich die Crème de la Crème der maritimen Wirtschaft versammelt hat. Die 23. SMM-Fachmesse ist ein Spiegelbild der Dynamik, der Kreativität und der Stärke des Sektors. Wahrlich - Hamburg pulsiert!

Aber dieser lebendige Charakter der maritimen Wirtschaft ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil. Wir standen in den vergangenen Jahrzehnten - und stehen bis heute - weltweit vor großen Herausforderungen. Zurzeit beschäftigt uns die Frage, wie wir verantwortungsvoll auf die wachsende Nachfrage nach Transporten reagieren können. Wie schaffen wir es, unsere Erreichbarkeit zu sichern und gleichzeitig unser direktes Lebensumfeld so wenig wie möglich zu schädigen?

Gewiss, die Herausforderungen sind je nach Standort verschieden. Aber eines gilt für uns alle: wir werden sparsamer und umweltschonender agieren müssen. Deshalb spricht mich auch der Ausgangspunkt der Diskussion hier in Hamburg sehr an. Wir sind uns darüber einig, dass unser Streben nach Innovation und die zwingende Notwendigkeit, nachhaltiger zu handeln, kein unauflöslicher Widerspruch sein müssen. Nicht entweder oder - nein: sowohl als auch! Innovation und Nachhaltigkeit ergänzen einander. Das ist unser Grundgedanke.

Ich möchte an dieser Stelle die niederländische Forschung zur sogenannten Luftschmierung erwähnen. Bei der Luftschmierung wird zur Verringerung des Reibungswiderstands eines Schiffes Luft in die Luftkammern unter dem Schiff geblasen. Alternativ wird unter dem Schiff ein dünnes Luftkissen angelegt, das ebenfalls den Reibungswiderstand verringert. Der Treibstoffverbrauch kann so um bis zu zehn Prozent gesenkt werden. Sparsamer heißt hier also zunächst einmal billiger. Das kommt unserer Wettbewerbsfähigkeit zugute. Sparsamer heißt aber auch nachhaltiger. Auch das macht uns stärker, und zwar im "grünsten" Sinne des Wortes.

Die Luftschmierung ist ein Beispiel, ich könnte noch viele andere nennen. Mir geht es darum, auf das Wesentliche aufmerksam zu machen. Es ist gut, wenn wir heute über die Chancen sprechen, die sich aus dem Zusammenspiel von Innovation und Nachhaltigkeit für den Sektor ergeben.

Man hat mich gebeten, in diesem Zusammenhang vom "niederländischen Ansatz" zu berichten. Dieser Bitte entspreche ich gerne und nicht ohne einen gewissen Stolz.

Wenn ich "nicht ohne einen gewissen Stolz" sage, dann deshalb, weil die maritime Wirtschaft in den Niederlanden - und dabei denke ich nicht nur an den Schiffbau, sondern auch an die Häfen, den Yachtbau, die Erdbauunternehmen, die Zulieferindustrie und nicht zuletzt an eine ganze Reihe führender Wissenseinrichtungen - weil also dieser Sektor, mit allem, was dazugehört, in den vergangenen Jahrzehnten eine regelrechte Metamorphose durchgemacht hat.

Das war auch dringend nötig. Die maritime Wirtschaft ist eine konjunkturanfällige Branche, davon können wir in den Niederlanden ein Lied singen. Während der Wirtschaftskrise in den achtziger Jahren blies ihr der Wind kräftig ins Gesicht. Die Schiffsindustrie und die anverwandten Sektoren waren besonders stark betroffen. Ich kann mich noch genau erinnern: Werftensterben, Massenentlassungen, Depression, wohin man schaute.

Doch zum Glück hat sich der Wind inzwischen gedreht! Das letzte Jahr war sogar das beste Jahr in der Geschichte des niederländischen Schiffbaus. Alle Rekorde wurden gebrochen: Der Umsatz legte um 23 Prozent auf 7,6 Milliarden Euro zu, und die Beschäftigung stieg um 17 Prozent auf über 35 000 Vollzeitstellen. Heute steht man vor dem Problem, dass man nicht genügend Personal mit der passenden fachlichen Qualifikation findet.

Was war nun der Schlüssel zu diesem Erfolg? Und was macht den "niederländischen Ansatz" aus?

Ich würde es so formulieren: In den Niederlanden haben wir uns immer auf die Stärken des Sektors konzentriert. Worin sind wir gut? Womit können wir unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern? Darum geht es doch letztendlich! Der Staat sorgt dabei für günstige Rahmenbedingungen. Damit die starken Seiten des Sektors noch besser zum Tragen kommen. Das war in der Vergangenheit anders. Früher haben wir versucht, unrentable Sektoren mit staatlichen Mitteln am Leben zu erhalten. Inzwischen hat hier eine durchgreifende Sanierung stattgefunden, und wir haben uns ehrgeizigere Ziele gesetzt. Wir konzentrieren uns jetzt auf Märkte, in denen wir überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Denn dort liegen unsere Chancen, international zu punkten!

Um aus dem Tal herauszukommen, hat die Branche damals rigorose Entscheidungen getroffen. Für Spezialisierung. Und für Exzellenz in hochwertigen Nischenmärkten. Die Regierung unterstützt diese Entscheidungen. Sie schafft beispielsweise Rahmenbedingungen und beteiligt sich an der Finanzierung von Forschungsprogrammen. Diese Formel hat sich als erfolgreich erwiesen. Indem man die Kräfte bündelte, entstand in der maritimen Wirtschaft Raum für Innovationen. Das hat uns dabei geholfen, in einigen Marktsegmenten eine führende Position zu erlangen. Denken Sie zum Beispiel an die Erdbauunternehmen. Sie sind rund um den Globus aktiv und Pioniere auf ihrem Gebiet. Oder an unsere Offshore-Industrie. Auch dort werden neue Wege beschritten. Oder denken Sie an die vielen Luxusyachten, die in den Niederlanden gebaut werden. Eine moderner als die andere.

In diesen Nischenmärkten sind die Niederlande international konkurrenzfähig. Um hier erfolgreich zu sein, ist es wichtig, dass die Branche möglichst viel Handlungsfreiheit hat. Der Staat setzt die Rahmenbedingungen. Ich nenne einige Kriterien, die dabei eine Rolle spielen. Was müssen wir tun, damit die Niederlande für ausländische Unternehmen ein attraktiver Standort bleiben? Wie sorgen wir für ein günstiges Steuerklima? Wie bewahren wir unsere hochwertige Wissensinfrastruktur? Innerhalb dieses Rahmens greifen wir die Punkte heraus, in denen der Sektor besonders leistungsfähig ist. Hier setzt die Förderung an. Hier helfen wir bei der Finanzierung von Forschungsprogrammen. Damit der Sektor dann exzellente Ergebnisse erzielen kann.

Denn unsere Prämisse ist und bleibt: Die Branche bestimmt den Kurs. So ist das Maritime Innovationsprogramm, das die niederländische Regierung kürzlich aufgelegt hat, vom Sektor selbst formuliert worden. Es handelt sich dabei um ein umfassendes Forschungs- und Entwicklungsprogramm insbesondere für die Schiffswerften, die Zulieferer und die Offshore-Industrie. Der Sektor hat ehrgeizige Ziele formuliert, die erhebliche öffentliche und private Investitionen erforderlich machen. Inzwischen geht es damit gut voran. Und ich unterstütze diese Initiativen gerne und aus Überzeugung. Noch heute werde ich einen Leistungsvertrag mit mehreren Unternehmen des Sektors unterzeichnen.

Der Motor läuft also, aber ein faires Rennen setzt klare Spielregeln voraus. Und fairer Wettbewerb ist eine solche Spielregel. Für die niederländische maritime Wirtschaft ist ein Level Playing Field in Europa von entscheidender Bedeutung. Gleiche Chancen für alle! Das gilt übrigens nicht nur für die niederländische Industrie. Von einem solchen Level Playing Field profitieren alle Länder. Übrigens gilt das auch weltweit. Deshalb tut die niederländische Regierung alles, was in ihrer Macht steht, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu fördern. Das ist mir sehr wichtig. Ich halte nichts von staatlichen Stützungsmaßnahmen für den Schiffbau.

Wir sollten unseren Blick aber nicht einseitig auf formale Rahmen richten. Stärken wir unsere Wettbewerbsposition, indem wir Innovationen durchführen und künftigen Entwicklungen vorgreifen. Und vergessen Sie nicht das Wichtigste: Wer stärker werden will, muss sich entscheiden, darf keine Angst vor der Spezialisierung haben. Haben Sie Mut! Der niederländische Ansatz zeigt eines ganz deutlich: Eine hohe Wertschöpfung bei veredelten Produkten und Dienstleistungen bietet Perspektiven für Wachstum und Gewinne. Hier liegt die Zukunft.

Ich habe bereits darauf hingewiesen: Innovationen führen in der maritimen Wirtschaft vor allem zu sparsameren Lösungen. Sparsamer bedeutet billiger, und das kommt der Schlagkraft auf dem Weltmarkt zugute. Aber sparsamer bedeutet auch nachhaltiger. Und Nachhaltigkeit steht weit oben auf der politischen Agenda. Lösungen müssen wir allerdings gemeinsam finden. Zur Realisierung von Energieeinsparungen erwarten wir auch Beiträge vom Sektor selbst, vom niederländischen Schiffbau, von den Zulieferern und von den Wissenseinrichtungen. Zurzeit wird mit Hochdruck an neuen Rumpfformen und der Verringerung von Emissionen gearbeitet.

Um den Schaden für die Umwelt auf ein Mindestmaß zu beschränken, reicht die Suche nach sparsameren oder saubereren Lösungen allein aber nicht aus. Wir müssen auch intelligenter planen. So können wir beispielsweise durch eine bessere Logistik unnötige Leerfahrten verhindern.


Meine Damen und Herren,

Sie alle sind in einem wirklich globalen Markt tätig. Der Wettbewerb zwingt uns, unablässig über Innovationen nachzudenken und intelligente Lösungen für das Klimaproblem zu finden. Vergessen wir dabei aber nicht, über die Landesgrenzen hinauszublicken und die Zusammenarbeit zu suchen. Wettbewerb schließt Zusammenarbeit nicht aus. Ganz und gar nicht. Nehmen wir Deutschland und die Niederlande. Die Häfen von Hamburg und Rotterdam konkurrieren miteinander. Das ist nur gesund. Aber wir sind auch Partner, Handelspartner mit starken gemeinsamen Interessen. Wir sind aufeinander angewiesen, um die Herausforderungen, von denen ich gesprochen habe, angehen zu können. Das gilt genauso für andere Länder in Europa. Wir werden weiterhin gemeinsam an einer starken, weltweit wettbewerbsfähigen europäischen Region arbeiten müssen. Mit der maritimen Wirtschaft als einem unserer Paradepferde!

Ich danke Ihnen.